Ermittlungsverfahren dauert lange, gut oder schlecht?

Dauert das Ermittlungsverfahren lange, ist das nicht eindeutig gut oder schlecht. Ein langes Ermittlungsverfahren kann darauf hindeuten, dass der Fall ernst ist.
Wenn umfangreich ermittelt wird, handelt es sich häufig um eine etwas schwerere Straftaten. Bei kleinen Vergehen dauert das Ermittlungsverfahren in der Regel nur wenige Monate. Die Beweiserhebung ist blei geringfügigen Vergehen deutlich weniger umfangreich. Das gilt insbesondere, wenn absehbar ist, dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 1 StPO oder § 153a Abs. 1 StPO eingestellt werden wird.

Dasselbe gilt in Verfahren, die mit kleinen Geldstrafen ohne Hauptverhandlung im Wege eines Strafbefehls entschieden werden. Auch dann dauert das Verfahren in der Regel nur einige Monate. 

Davon hängt die Dauer des Ermittlungsverfahrens ab:

Das Ermittlungsverfahren ist die erste und entscheidende Phase eines Strafverfahrens. Im Ermittlungsverfahren findet der Großteil der Beweiserhebung statt. Man sollte also meinen, dass der Umfang der Beweiserhebung entscheidend dafür ist, wie lange ein Ermittlungsverfahren dauert.

Die Dauer des Ermittlungsverfahrens wird aber von vielen Faktoren beeinflusst, insbesondere:

  1. Auslastung der Strafverfolgungsbehörden: Je überlasteter Staatsanwaltschaft und Polizei sind, desto länger dauert eine Verfahren.

  2. Komplexität des Delikts: Komplexe Delikte wie Wirtschaftsstraftaten erfordern umfassendere Ermittlungen als einfache Straftaten.

  3. Beweislage: Schwierige Beweisführung kann die Dauer verlängern.

  4. Kämpferische Strafverteidigung: Ein erfahrener Strafverteidiger wird in das Ermittlungsverfahren eingreifen und durch fundierte Argumentation, Anträge und notfalls Verzögerungsrüge.

Gut wenn das Ermittlungsverfahren länger dauert?

  • Gründliche Ermittlungen erhöhen die Chance auf ein gerechtes Ergebnis. Je weiter der Sachverhalt ausermittelt ist, desto wahrscheinlicher wird ein Ergebnis, das der Wahrheit nahe kommt.
  • Zeitablauf kann zu Strafmilderung führen. Lange Dauer zwischen Tat und Verurteilung ist zwingender Strafmilderungsgrund.
  • Einstellung des Verfahrens kann verhandelt werden. Schwerere Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot können einem eine Verhandlungsposition geben, aus der eine Einstellung des Verfahrens möglich ist. Verstößt die Staatsanwaltschaft schwer gegen das Beschleunigungsgebot, kann das als Verhandlungsposition für eine Einstellung verwendet werden.
  • Zeugen erinnern sich nach langer Zeit oft schlechter an Details, was die Beweisführung der Anklage erschwert.

Schlecht wenn das Ermittlungsverfahren lange dauert:

  • Lange emotionale Belastung für Betroffene
  • Unsicherheit für Betroffene, ein Laufendes Verfahren verhindert Planung. Die Folgen für Beruf, Fahrerlaubnis, Freiheit und nicht zuletzt die finanziellen Folgen verhindern langfristige Planung.
  • Langes Ermittlungsverfahren beschränkt die Möglichkeiten der Verteidigung. Lange Ermittlungsverfahren laufen oft an der Verteidigung vorbei. Insbesondere unerfahrene Anwälte lassen häufig Ermittlungsverfahren laufen ohne aktiv einzugreifen und warten das Ergebnis der Ermittlungen ab. Wird erst Kampf geliefert, wenn das Ergebnis der Ermittlungen feststeht, ist es oft zu spät.

Was Ihr Strafverteidiger tun kann:

Während eines lang andauernden Ermittlungsverfahrens ist es entscheidend, sich professionell vertreten zu lassen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann:

  • Akten prüfen und so Klarheit über den Stand des Verfahrens schaffen.
  • Druck auf die Staatsanwaltschaft ausüben. Oft verweigert die Staatsanwaltschaft die Einsicht in die Ermittlungsakten mit dem Hinweis, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Der Strafverteidiger hat aber in jedem Stadium des Verfahrens das Recht auf Akteneinsicht. Das Recht auf Akteneinsicht nach § 147 Abs. 1 StPO ist nicht vom Abschluss des Ermittlungsverfahrens abhängig.
    Die Staatsanwaltschaft kann nach § 147 Abs. 1 S. 1 StPO Akteneinsicht lediglich ablehnen, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Die Praxis, dass die Akte erst verschickt wird, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, ist rechtswidrig.
  • Unnachgiebig vorgehen, um Ihre Rechte zu wahren und sich nicht von der Staatsanwaltschaft abspeisen lassen. Immer wieder Sachstand anfragen, Akte einsehen und gegebenenfalls Verzögerung rügen.
  • Kämpfen, indem ihr Strafverteidiger die Verteidigung vorbereitet, gegebenenfalls Rechtsbehelfe einlegt und schon im Ermittlungsverfahren aktiv im Verfahren Kampf liefert.
Ermittlungsverfahren dauert lange gut oder schlecht

Das Beschleunigungsgebot, Recht auf ein faires Verfahren

Das Beschleunigungsgebot ist eines der Verfahrensgrundsätze im Strafprozessrecht, eine der sogenannten Prozessmaximen. Das Beschleunigungsgebot besagt, dass Verfahren zügig durchzuführen sind. Das Beschleunigungsgebot leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG ab.

Ein überlanges Verfahren kann auch gegen die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG oder in Haftsachen die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG verstoßen.

Das Beschleunigungsgebot ist als Grundsatz des Strafprozesses kein Selbstzweck, sondern auch ein subjektives Recht des Beschuldigten auf schnellen Abschluss des Strafverfahrens. Die Ungewissheit eines laufenden Verfahrens ist eine starke Belastung für die Betroffenen und ihre Familien. Deswegen besteht ein Anspruch darauf, dass das Verfahren schnell abgeschlossen wird.

Der Grundsatz dient erst nachrangig auch dem Interesse des Staates an der Straffung des Verfahrens.

Das Beschleunigungsgebot ist in Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention ausdrücklich geregelt:

„Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“

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Konstantin Grubwinkler
Konstantin Grubwinkler zählt zu den bekanntesten Strafverteidigern Deutschlands. Er ist renommierter Fachanwalt für Strafrecht und bundesweit gefragter Spezialist für Betäubungsmittelstrafrecht und Konsumcannabisgesetz.

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