Jugendstrafrecht nach JGG – Anwalt für Jugendstrafrecht
Das Jugendstrafrecht ist das Sonderstrafrecht für Jugendliche. Das Jugendstrafrecht enthält keine eigenen Straftatbestände sondern verweist auf die Straftatbestände des Strafgesetzbuches und des Nebenstrafrechts (z.B. BtMG und NpSG). In § 1 I JGG wird auf das allgemeine Strafrecht verwiesen. Steht eine schwerere Straftat nach allgemeinem Strafrecht im Raum, sollte schnellstmöglich ein Anwalt für Jugendstrafrecht kontaktiert werden.
Anwendungsbereich Jugendstrafrecht
Nach § 1 JGG ist das Jugendgerichtsgesetz grundsätzlich anwendbar, wenn ein Jugendlicher oder Heranwachsender eine Straftat begeht. Lässt sich nicht aufklären, welches Alter zum Tatzeitpunkt vorlag, gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“, es ist also im Zweifel für den Angeklagten die für ihn günstigere Folge anzunehmen.
Definition Jugendlicher
Jugendlicher ist nach § 1 II JGG, wer zur Tatzeit 14 bis 17 Jahre alt ist. Bei Taten Jugendlicher ist immer Jugendstrafrecht anzuwenden.
Definition Heranwachsender – Jugendstrafrecht
Heranwachsender ist nach § 1 JGG, wer zur Tatzeit 18 bis 20 Jahre alt ist. Für Heranwachsende gilt zwar grundsätzlich das Jugendgerichtsgesetz JGG und es wird vor dem Jugendgericht verhandelt. Jedoch werden auf Heranwachsende nach § 105 JGG nur Teile des Jugendstrafrechts entsprechend angewandt wenn
- der Täter zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand (= Reifeverzögerung), oder
- es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Wird die Tat eines Heranwachsenden angeklagt, ist es sinnvoll, einen Anwalt für Jugendstrafrecht zu beauftragen.
Rechtsfolgen und „Strafen“
Im Erwachsenenstrafrecht existieren nur die Hauptstrafen Geldstrafe und Freiheitsstrafe sowie Nebenstrafen (z.B. Einziehung und Fahrverbot). Im Jugendstrafrecht gibt es eine viel weiteres Sanktionssystem. Geldstrafe und Freiheitsstrafe werden im Jugendstrafrecht nicht verhängt. Die Nebenstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung des allgemeinen Strafrechts sind nach § 6 und § 7 JGG jedoch auch im Jugendstrafrecht anwendbar. Die „Strafen“ im Jugendstrafrecht sind in folgende Gruppen eingeordnet:
Erziehungsmaßregeln (§§ 9 – 12 JGG)
Ziel der Erziehungsmaßregeln ist es, die Lebensführung des Jugendlichen zu regeln und dadurch seine Erziehung zu fördern und zu sichern. Voraussetzung für Erziehungsmaßregeln ist, dass Erziehungsbedarf besteht und der Jugendliche erziehbar ist. Erziehungsmaßregeln sind nur soweit anzuordnen, wie sich die Defizite in der Erziehung des Jugendlichen auch in der konkreten Tat niedergeschlagen haben.
Erziehungsmaßregeln sind nach § 9 JGG:
- Anordnung von Hilfe zur Erziehung (Erziehungsbeistandschaft oder betreutes Wohnen)
- die Erteilung von Weisungen,
Weisungen sollen die Lebensführung des Jugendlichen regeln. Als Weisungen kommen insbesondere in Betracht:
- eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen
- Arbeitsleistungen zu erbringen
- sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen
- an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
- Täter-Opfer-Ausgleich
Kommt der Betroffen den Weisungen schuldhaft nicht nach, ordnet das Gericht sogenannten Ungehorsamsarrest an. Dieser Jugendarrest kann bis zu vier Wochen dauern.
Zuchtmittel (§§ 13 – 16 JGG)
Zuchtmittel sind die zweite Stufe der „Strafen“ im Jugendstrafrecht. Grundsätzlich steht bei Zuchtmitteln auch der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Sie sollen aber – anders als Erziehungsmaßregeln – auch das begangene Unrecht vergelten. Zuchtmittel werden nach § 13 JGG verhängt, wenn dem Jugendlichen „eindringlich zu Bewußtsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat“ aber noch keine Jugendstrafe geboten ist.
Zuchtmittel sind:
- Verwarung
- Erteilung von Auflagen (Schadenswiedergutmachung, Entschuldigung, Arbeitsleistung, Geldauflage)
- Jugendarrest
Kommt der Jugendliche Auflagen schuldhaft nicht nach, verhängt das Gericht bis zu vier Wochen Ungehorsamsarrest.
Jugendarrest ist nach § 16 JGG in den Formen Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest möglich. Freizeitarrest kann für ein bis zwei Freizeiten verhängt werden und gilt für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen. Es handelt sich meist um Wochenendarrest. Kurzarrest wird wie Freizeitarrest verhängt. Zwei Tage Kurzarrest stehen einer Freizeit gleich. Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Arrest im Jugendstrafrecht wird deutlich öfter und schneller angeordnet als die Freiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht. Der Arrest ist zwar deutlich kürzer, jedoch auch unangenehmer, da viele Vorzüge, die im Erwachsenenstrafvollzug vorhanden sind, im Jugendarrest fehlen. Sobald die Anordnung von Arrest in Betracht kommt, ist es dringend zu empfehlen, einen Anwalt für Jugendstrafrecht einzuschalten.
Jugendstrafe (§§ 17 ff. JGG)
Bei der Jugendstrafe handelt es sich um die klassische Gefängnisstrafe. Jugendstrafe darf nur verhängt werden, wenn andere Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts nicht ausreichen. Es gelten nicht die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts sondern die Jugendstrafe ist nach § 18 II JGG so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Wirkung möglich ist. Die Dauer der Jugendstrafe beträgt sechs Monate bis zu fünf Jahre, bei besonders schweren Verbrechen bis zu zehn Jahren. Voraussetzung für die Verhängung einer Jugendstrafe ist, dass wegen schädlicher Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist (selten). Kommt im konkreten Fall eine Jugendstrafe in Frage, sollte dringend sofort ein Anwalt für Jugendstrafrecht konsultiert werden.
§ 17 JGG
Form und Voraussetzungen
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
Strafzumessung im Jugendstrafrecht
Das Gericht hat im Rahmen der „Strafzumessung“ im Jugendstrafrecht einen deutlich größeren Spielraum als im Erwachsenenstrafrecht. Das liegt daran, dass die Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht deutlich vielfältiger sind und der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht. Die größere Macht des Gerichts über die „Strafen“ im Jugendstrafrecht wird auch daran deutlich, dass nach § 55 I JGG Rechtsmittel gegen das „Strafmaß“ im Jugendstrafrecht nur beschränkt möglich sind.
Sehr oft werden mehrere Maßnahmen verbunden. Nach § 31 I 1 JGG gilt zudem das Einheitsprinzip. Das bedeutet, dass bei gleichzeitig verhandelte Taten immer eine Einheitsstrafe zu bilden ist. Es kommt nicht darauf an, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt.
Rechtsmittel der Berufung im Jugendstrafrecht
Rechtsmittel sind im Jugendstrafrecht nur beschränkt möglich. Nach § 55 I JGG ist Berufung im Falle von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln nur mit dem Ziel des Freispruchs möglich. Die Berufung kann also nicht mit dem Ziel erfolgen, die Rechtsfolgen zu verringern, sondern nur, die Verurteilung ganz entfallen zu lassen. Dasselbe gilt für das Rechtsmittel der Revision im Jugendstrafrecht. Rechtsmittel mit dem ausschließlichen Ziel der Reduktion der Rechtsfolgen sind daher schon unzulässig. Es ist also dringend anzuraten, sich schon bei Anklage in erster Instanz von einem Anwalt für Jugendstrafrecht beraten zu lassen.