Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist ein vergleichsweise schwerer Tatbestand. § 114 StGB sieht im Gegensatz zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Bei Ermittlungsverfahren wegen § 114 StGB empfehlen wir dringend, einen Anwalt für Tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte zu beauftragen. Bei dieser Strafandrohung ist effektive Verteidigung durch einen Anwalt für Strafrecht sehr wichtig.
Der Tatbestand des Tätlichen Angriffs wurde mit dem 52. StÄG am 30.05.2017 in § 114 StGB überführt. Der Anwendungsbereichs ist mittlerweile auch auf Angriffe ausgeweitet, die keine Vollstreckungshandlung sind. Die Strafschärfung in § 114 StGB beim tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte wurde schon im Gesetzgebungsverfahren heftig kritisiert. Das geht sogar so weit, dass der Tatbestand vereinzelt als Verfassungswidrigkeit betrachtet wird. § 114 StGB ist faktisch eine spezielle Regelung für Körperverletzungen gegen eine bestimmte Gruppe von Amtsträgern. Andere Staatsbedienstete (z.B. Lehrer) genießen diesen Sonderschutz nicht.
Besonderes Problem beim Tätlichen Angriff ist, dass meistens nicht nur § 114 StGB selbst angeklagt wird. In den meisten Fällen tritt noch Körperverletzung bzw. versuchte Körperverletzung in Tateinheit hinzu.
Die Minderststrafe beträgt drei Monate Freiheitsstrafe. Über § 47 II StGB ist trotzdem in den meisten Fällen eine Geldstrafe zu erreichen. Das gesetzlich vorgesehen Minimum sind dann 90 Tagessätze. Das entspricht in der Regel drei Monatsgehältern.
Vorsicht: 90 Tagessätze ist das gesetzliche Minimum. Je nach Schwere und Umständen des Einzelfalls oder Vorstrafen kann die Strafe deutlich höher ausfallen bis hin zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
§ 113 StGB ist der einfache Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. § 114 StGB ist tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte setzt voraus, das die Beamten eine Vollstreckungshandlung durchführen. Beim Widerstand muss der Vollstreckungsbeamte konkret eine Vollstreckungstätigkeit ausüben. Der Tätliche Angriff muss sich nicht auf eine Konkrete Vollstreckungshandlung beziehen. Für den Widerstand reicht jede Kraftausübung, die geeignet ist, die Durchführung der Vollstreckungshandlung zu erschweren. Dafür reicht schon ein mehr oder weniger passives Sperren oder Festhalten. Tätlicher Angriff muss eine unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkung umfassen.
Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte – Tatbestand
Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist die in feindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung ohne Rücksicht auf ihren Erfolg (RGSt 59, 264; sa BSG NJW 2003, 164).
Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte: Unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkung
Trotz Strafschärfung ist eine restriktive Interpretation gegenüber dem früheren Recht nach herrschender Meinung nicht angezeigt (BGHSt 65, 36 = NJW 2020, 2347) Die Rechtsprechung sieht teilweise schon kräftiges Stoßen von hinten (LG Nürnberg-Führt NStZ-RR 2020, 39), anlasslose Abbremsen und Auffahrenlassen eines Polizei-Pkw als ausreichend an.
Die Verweisung auf die Regelungen in § 113 III, IV in Abs. 3 gilt nur, soweit der angegriffene Amtsträger eine Vollstreckungshandlung vornimmt. Sie entspricht also der bisherigen Rechtslage in § 113 StGB.
Der sachliche Anwendungsbereich des tätlichen Angriffs unterscheidet sich vom Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Tätlicher Angriff bezieht sich nicht nur auf Vollstreckungshandlungen, sondern jede Diensthandlung, zum Beispiel Streifentätigkeit, Befragungen Unbeteiligten, Beschuldigtenvernehmungen und Begleitung von Demonstrationen.
Die Verteidigung beim Tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte hat das Problem der faktischen Definitionsmacht der Polizei. Erfahrungsgemäß steht der Beschuldigte im Verfahren mehreren Polizei-Zeugen gegenüber. Die Vorschrift ist restriktiv auszulegen, so dass nur solche unmittelbar auf den Körper zielenden feindseligen Einwirkungen erfasst sind, die von einigem Gewicht sind („Erheblichkeitsschwelle“). Die bisherige Rechtsprechung geht zu der neuen Regelung teilweise von uneingeschränkter Auslegung des Tatbestandsmerkmals aus (BGH BeckRS 2023, 22709 Rn. 3; 2020, 13163; 2020, 13939 Rn. 13 ff).
Diese harte Auslegung der Rechtsprechung führt weiter dazu, dass bei Ermittlungsverfahren unbedingt ein Anwalt für tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte beauftragt werden sollte.
Konkurrenzen
Leistet der Täter mittels eines tätlichen Angriffs zugleich Widerstand gegen eine Vollstreckungshandlung, dürfte zwischen dem Widerstand nach § 113 StGB und Tätlichem Angriff in § 114 StGB Tateinheit (LG Nürnberg-Führt NStZ-RR 2020, 39). Tateinheit ist weiterhin möglich mit zum Beispiel Körperverletzung (BGHSt 65, 36 (42) = NJW 2020, 2347 (2349) bzw. versuchter Körperverletzung.
§ 114 StGB Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte
(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) § 113 Absatz 2 gilt entsprechend.
(3) § 113 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.